Mittwoch, 1. Februar 2012

Syrien-Politik "unverantwortlich",Amnesty kritisiert Russland scharf

In Homs werden zwei getötete Regimegegner beerdigt.
In Homs werden zwei getötete Regimegegner beerdigt.(Foto: REUTERS)
Mittwoch, 01. Februar 2012

Syrien-Politik "unverantwortlich"Amnesty kritisiert Russland scharf

Täglich sterben in Syrien Dutzende Menschen. Das Regime geht mit unverminderter Härte gegen Oppositionelle vor. Im UN-Sicherheitsrat scheitert jedoch eine Resolution am Veto Russlands. Amnesty International weist Moskau deshalb eine "erhebliche Verantwortung" an der Gewalt zu. Doch es gibt eine kleine Hoffnung auf einen Kompromiss. Die russische Haltung zu einer Syrienresolution im UN-Sicherheitsrat ist bei Amnesty International auf scharfe Kritik gestoßen. Die Blockade sei unverantwortlich, erklärte die Gefangenenhilfsorganisation in New York. "Russland trägt erhebliche Verantwortung dafür, dass die brutale Niederschlagung gerechtfertigter Forderungen ungebremst weitergehen kann", sagte der UN-Experte der Organisation, José Luis Díaz. Russland hatte gedroht, gegen einen arabisch-europäischen Resolutionsentwurf ein Veto einzulegen.
Bei Homs rollen noch immer Panzer.
Bei Homs rollen noch immer Panzer. (Foto: REUTERS)
Russland hatte bereits im Oktober zusammen mit China eine UN-Resolution per Veto gestoppt. "Nach den uns vorliegenden Berichten wurden seitdem mehr als 2600 Menschen in Syrien getötet", sagte Díaz. Russland sei der größte Waffenlieferant für die syrische Regierung und trage deshalb eine besondere Verantwortung. "Russland muss mit den anderen Sicherheitsratsmitgliedern endlich zusammenarbeiten, um eine starke und bindende Resolution zu verabschieden, damit das Blutvergießen und die Menschenrechtsverletzungen in Syrien aufhören."
Moskau teilte derweil mit, dass es im Ringen um eine Syrien-Resolution vorerst keinen Abstimmungstermin gibt. Es werde weiter versucht, einen Text vorzulegen, dem alle Seiten zustimmen können, sagte Vizeaußenminister Gennadi Gatilow nach Angaben der Agentur Interfax. Demnach gebe es Anstrengungen für einen Kompromiss aus dem europäisch-arabischen und dem früheren russischen Resolutionsentwurf. Der aktuell diskutierte europäisch-arabische Entwurf sei für Moskau nicht annehmbar, sagte Gatilow.

Auch China gegen Sanktionen

Die Mitglieder des Sicherheitsrates hatten am Dienstag über einen Resolutionsentwurf debattiert, den Marokko als Mitglied der Arabischen Liga eingebracht hatte. Darin wird die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit für Syrien gefordert, die "transparente und freie Wahlen" organisieren müsse. Der Text orientiert sich weitgehend an einem Friedensplan der Liga, in dem das Bündnis Präsident Baschar al-Assad zu einem teilweisen Machtverzicht aufgefordert hatte.
Ziel sei es, ein gewaltsames Vorgehen wie zuletzt in Libyen zu verhindern, so Gatilow weiter. Russland will lediglich einen internationalen Appell an die Konfliktparteien zulassen, die Gewalt zu beenden und den Dialog zu beginnen. Sanktionen sowie ein militärisches Vorgehen lehnt die Moskauer Führung als Einmischung in "innere Angelegenheiten" ab.
Der Sicherheitsrat findet keine Linie, die Gewalt in Syrien zu stoppen.
Der Sicherheitsrat findet keine Linie, die Gewalt in Syrien zu stoppen. (Foto:REUTERS)
Zugleich gab es aber auch Andeutungen auf eine mögliche Annäherung zwischen Russland und dem Westen. Die jüngste Version zu einer Resolution gebe Anlass zur Hoffnung, sagte der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin. Es sei "nicht nur möglich, sondern auch notwendig", dass der Sicherheitsrat in der Syrien-Frage eine Linie finde. Er lud Vertreter des Regimes und der Opposition zusammen mit denen der Arabischen Liga zu direkten Gesprächen nach Moskau ein.
Russland kann als eines der fünf ständigen Mitglieder mit einem Veto jede Entscheidung des UN-Sicherheitsrates blockieren. Auch China sprach sich gegen Sanktionen aus. Zugleich forderte UN-Botschafter Li Baodong aber Syrien auf, "Reformen einzuleiten und die Bedürfnisse des Volkes zu beachten, das Töten unschuldiger Menschen zu stoppen und einen Dialog einzuleiten".

"Tötungsmaschinerie" Assads stoppen

US-Außenministerin Hillary Clinton rief den Sicherheitsrat eindringlich zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Gewalt auf. Wer eine Resolution verweigere, mache sich zum "Komplizen der anhaltenden Gewalt", sagte sie, ohne Russland ausdrücklich zu nennen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte bei einem Besuch in Tel Aviv, er begrüße die "klare Berichterstattung der Arabischen Liga". "Wir werden in den nächsten Tagen intensiv und in unmittelbaren Gesprächen darauf hinarbeiten, dass die überfällige Resolution zustande kommt", so Westerwelle.
Katars Regierungschef Scheich Hamed ben Dschassem al-Thani sprach vor dem Sicherheitsrat im Namen der Arabischen Liga. Er forderte das Gremium auf, die "Tötungsmaschinerie" Assads zu stoppen. Die syrische Führung habe "keinen ernstgemeinten Versuch" unternommen, den Konflikt zu beenden. Die Menschen hofften nun auf die UN: "Das Schicksal des syrischen Volkes liegt in Ihrer Hand!" Die Liga hatte erst kürzlich eine Beobachtermission wegen mangelnden Erfolgs abgebrochen.
Die syrische Regierung blieb bei ihrer harten Linie. Der syrische UN-Botschafter Baschar Dschaafari sagte, sein Land werde "den Feinden entschlossen entgegentreten". Dem Westen und der Arabischen Liga warf er "Doppelmoral" und ein Anfachen der Gewalt in Syrien vor. Dschaafari sprach von einer internationalen Verschwörung gegen sein Land. Das Regime von Präsident Baschar al-Assad kündigte im Staatsfernsehen an, es sei fest entschlossen, die Stabilität wieder herzustellen - koste es, was es wolle.
Scheinbar unbeeindruckt von der Sondersitzung gingen syrische Regierungstruppen weiter gegen Regime-Gegner im Umland der Hauptstadt Damaskus vor. Nach Angaben von Aktivisten stürmten Soldaten mit Panzern einige Vororte und durchsuchten die Häuser nach Deserteuren. Mindestens 20 Menschen seien getötet worden, unter ihnen sechs fahnenflüchtige Soldaten, sagte der Oppositionelle Aiman Idlibi. Auch die Protesthochburg Homs stand demnach weiter unter Beschuss.
dpa/AFP/rts