Schreiben an die unten angeführten vor Gerichtshof klagenden Unternehmer
Mit herzlichen Grüßen Thomas Karnasch,international anerkannter Philosoph
Euro-Krise
| 24.08.2011Unternehmer bringen Verfassungsrichter vor Gericht
Eine Gruppe von über 55 deutschen Unternehmern bringt das Bundesverfassungsgericht vor Gericht. Vereinfacht gesagt, werfen sie dem höchsten deutschen Gericht Demokratie schädigendes Verhalten vor, weil dieses ihnen relevante rechtsstaatliche Verfahrensgarantien im Streit um die Euro-Politik der Bundesregierung verweigere. Deshalb sollen sich die deutschen Verfassungsrichter nun vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verantworten.
- Foto: dapd Richter des Bundesverfassungsgerichts im Verhandlungssaal in Karlsruhe. Eine Gruppe von 55 Unternehmern bringt das höchste deutsche Gericht jetzt vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
Bundesregierung gefährde Eigentum der Bürger
Er rufe den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an, weil sich auf nationaler und europäischer Ebene eine „Erosion des Rechts“ vollziehe. Fundamente der Europäischen Union als Rechtsgemeinschaft würden nachhaltig geschädigt und die in der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehen Rechte verletzt, darunter das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf Schutz des Eigentums.Denn mit ihrer Milliardenhilfe für Griechenland, Irland und Portugal, mit dem sogenannten Euro-Rettungsschirm und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) gefährde die Bundesregierung das Eigentum ihrer Bundesbürger, sagt Kerber.
Anordnung gegen Hilfe für Portugal abgelehnt
Genauso argumentierte er in seiner Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht, jedoch mit geringem Erfolg. Zwar wurde sie zusammen mit 14 anderen zugelassen. Allerdings verhandelte der Zweite Senat unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle am 5. Juli dieses Jahres nur die Beschwerden des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler sowie einiger Wirtschafts- und Juraprofessoren um den Ökonomen Joachim Starbatty und den Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider. Am 7. September will es dazu ein Urteil verkünden.Außerdem hatte das Gericht eine Anfang April 2011 von „Europolis“ angestrebte einstweilige Anordnung gegen die zu diesem Zeitpunkt von der Bundesregierung beabsichtigte Milliardenhilfe für Portugal nach etwa dreimonatiger Bearbeitungsdauer abgelehnt. Die von Kerber ausdrücklich betonte Eilbedürftigkeit sahen die Karlsruher Richter nicht. Und so kam es, dass die Portugalhilfe in Höhe von 78 Milliarden Euro am 16. Mai 2011 mit Zustimmung der Bundesregierung auf europäischer Ebene vereinbart wurde, während die Verfassungsrichter wohl noch über Kerbers Antrag nachsannen.
Staatsschuldenkrise werde in Karlsruhe "nicht verhandelt"
Ganz und gar unverständlich ist den vielen Unternehmern, zu denen etwa das Bayerische Münzkontor und Firmen wie der Kanuhersteller Prijon oder das Chemie-Unternehmen Worlée zählen, zudem, warum sich das Verfassungsgericht darüber hinaus weigerte, alle im Kern europarechtlich relevanten Fragen vorab dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Entscheidung vorzulegen. Dasselbe gilt für die Weigerung des Gerichts, die von der „Europolis“-Gruppe auf einigen hundert Seiten aufgezeigten Folgen der Finanzhilfe für die deutsche Volkswirtschaft zu behandeln.Dazu hatte Gerichtspräsident Voßkuhle gleich zu Beginn der mündlichen Verhandlung gesagt, über die Zukunft Europas und die richtige ökonomische Strategie zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise innerhalb der Europäischen Währungsunion werde in Karlsruhe „nicht verhandelt“. Dies sei Aufgabe der Politik und nicht der Rechtsprechung.
Nach Ansicht Kerbers und seiner Klägergruppe hingegen ist eine sachliche Bewertung der Milliardenhilfen ohne ökonomische Expertise gar nicht möglich. In seiner Klageschrift für Straßburg schreibt Kerber: „Obwohl sich 55 Bürger zusammengeschlossen haben, die Fehlprognose der politischen Entscheidungsträger im Mai 2010, die Verletzung von Grundrechten (…) und die ökonomische Untauglichkeit der ergriffenen Maßnahmen (…) darzulegen, hat sich das Bundesverfassungsgericht – „Hüter der Grundrechte“ – geweigert, den Beschwerdeführern die Minimalia eines fairen Prozesses zuzugestehen.“
Bereits im Juli hatte Kerber das höchste deutsche Gericht scharf kritisiert und die Frage aufgeworfen, ob das Verfassungsgericht seiner Rolle als Verfassungshüter noch gerecht wird oder nicht . „Das Verfassungsgericht setzt sich dem Verdacht aus, den politischen und zeitlichen Erwartungen der Bundesregierung zu entsprechen“, sagte Kerber damals. Es strebe offensichtlich ein politisches Urteil im Sinne der Regierung an. Auf diese Weise werde es zu einer Art Mittäter von selbsternannten Eurorettern, die dabei seien, das Recht zugunsten der Macht zu verdrängen, einer Macht, die im Übrigen nicht von Berlin, sondern allein von Paris aus gesteuert werde.
"Politik des fortgesetzten Rechtsbruchs"
„Was hier geschieht, ist im Grunde genommen ein Staatsstreich, angeführt von Nicolas Sarkozy und seiner Kollaborateurin Angela Merkel“, sagt Kerber. „Und die Bundesrepublik als Rechtsstaat ist nicht in der Lage, sich dieses Angriffs zu erwehren.“ Stattdessen spielte das Verfassungsgericht diesen Kräften noch in die Hände.Der Bevölkerung könne die Politik längst nichts mehr vormachen. „Die Bürger wissen, dass alle bisherigen Maßnahmen für Griechenland, Portugal und Irland im Ansatz untauglich waren, die realwirtschaftlichen Probleme dieser Länder zu lösen“, sagt Kerber. Dennoch wolle die Bundesregierung im September den Europäischen Stabilitätsmechanismus durch eine vereinfachte Änderung der Verträge von Lissabon legalisieren. „Damit betreibt die Bundesregierung schlicht und ergreifend eine Politik des fortgesetzten Rechtsbruchs“, sagt Kerber.
In Berlin wird damit gerechnet, dass Regierung und Bundestag unmittelbar nach der Urteilsverkündung des Verfassungsgerichts am 7. September den Weg für den Stabilitätsmechanismus frei machen. Obwohl auch Mitglieder der Regierungskoalition dieses Vorgehen immer wieder kritisierten, gilt als sicher, dass die Kanzlerin bei den entscheidenden Abstimmungen eine Mehrheit für ihre Politik bekommt.
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