Samstag, 21. April 2012

Wie modernistisch-ökonomische Diktate das Kindeswohl ausblenden!


Wie modernistisch-ökonomische Diktate das Kindeswohl ausblenden!
Der öffentlichen Auseinandersetzungen um das ab 2013 geplante Betreuungsgeld liegt eine massive Fehleinschätzung der Leistungsfähigkeit von Kinderkrippen zu Grunde.
Darauf weist das Familiennetzwerk schon seit Jahren hin und wird jetzt durch den kürzlich erschienenen 8. Familienbericht der Bundesregierung bestätigt. Selbst bei guter Qualität der externen Betreuungseinrichtung verlieren demnach Kinder aus Mittelschichtfamilien an persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten und bei „Risikokindern“ gibt es nur geringe positive Effekte. Außerdem offenbaren die demokratisch gewählt Wortführer ein recht diktatorisches Volksvertreter-Selbstverständnis. Aber ideologisch verbrämte oder sich am Zeitgeist orientierende Politiker, welche sich nicht am Kindeswohl orientieren, sondern sich stattdessen wirtschaftlichen Forderungen unterwerfen bzw. die nächste Wahl im Blick haben, werden auch die Fakten des aktuellen Familienberichtes gezielt ignorieren. Und da kaum Argumente gegen eine – selbst vom höchsten Verfassungsorgan geforderte – Ausgleichförderung für die Eltern, welche ihre Kleinkinder nicht in eine Krippe abschieben wollen, gefunden werden kann, wird der Ton immer heftiger. Selbst einige Hochschul-Lehrer entpuppen sich zum Meinungs-Macher, weitab von wissenschaftlicher Redlichkeit bzw. forscherischen Selbstverständlichkeiten. So werden Kampfbegriffe wie „Herdprämie“ zur Verunglimpfung der Eltern eingebracht, die durch Nähe und gesunde Nahrung einer Familie täglich erneut Zusammenhalt, Stabilität und Zufriedenheit geben und damit die Eckpfeiler unsere Gesellschaft erhalten.
Die Krippen-Devise lautet: Säuglinge und Babys, raus aus dem Haus!
Nein, so früh wie möglich sollen die Babys raus aus dem Haus, am besten direkt nach der Mutterschutzzeit. Würden z.B. skrupellose Hundezüchter Welpen kurz nach der Geburt vom Muttertier entfernt, um diese schneller vermarkten zu können, Tierschutzverbände würden kräftig protestieren und entsprechende Gerichtsverfahren wären selbstverständlich. Aber wenn ohne Not dazu aufgerufen wird, Säuglinge – damit wird das erste Lebensjahr umrissen – von der Mutter bzw. den Eltern zu trennen, weil die Wirtschaft das fordert und den Frauen zum Abwürgen möglicher Verantwortungsgefühle eingeredet wird, nach der gesetzlichen Elternzeit gleichzeitig das Verfallsdatum der betrieblichen Einsatzfähigkeit überschritten zu haben, setzt sich eine ‚ganz große Koalition’ an die Spitze dieser Bewegung. Sie krönt ihren Aktionismus, indem sie dieses ‚Raus aus dem Haus und ab in den Betrieb Diktat’ mit einer kräftigen Prämie von 800,- bis 1.300,- Euro pro Monat per Krippenplatz fördert und die selbst für Ihre Kinder sorgenden Eltern dabei leer ausgehen lassen will.
Das Demokratieverständnis wird so auf dem Altar der Indoktrination dem ‚Gott-Moderne’ geopfert und die vom Bundesverfassungsgericht geforderte echte Wahlfreiheit mit Füßen getreten  So sprechen Kritiker  von „Unfug Gesetz“, deklarieren das Eltern-Erziehungsgeld als „Fehlsteuerung von Sozialleistungen“, sprechen von einem „politischen Unfall“ oder argumentieren, „es passe einfach nicht in die Zeit“. Auf welchem Qualitätsniveau sind wir angekommen, wenn Erziehungs- und Bildungsprozesse sich am Zeitgeist orientieren sollen. Selbst die häufig bemühten Flachbildschirme lägen da noch deutlich über Null-Niveau. Dieser Aktionismus beschleunigt sich selbst: Auf jeden Fall dem Mainstream folgen, koste es was es wolle. Die Verdeutlichung, dass über 80%  der Eltern ihre Kinder gut in der eigene Familie erziehen und ca. 2/3 dies auch weiterhin so wollen – und bei 30% Krippenplätzen auch sollen – wie auch die Ergebnisse der aktuellen Bindungsforschung werden gezielt ignoriert. Da wirkt der Appell von CDU Generalsekretär Hermann Gröhe fast wie die Stimme eines einsamen Rufers: Die Einführung des Betreuungsgeldes für Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen, ist „eine pure Selbstverständlichkeit“! Grundgesetz und das Betreuungs-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1999 scheinen Einzelnen noch bewusst zu sein.
Ganztagsbetreuung als Bildungsoffensive anzupreisen ist Dummheit.
Wer Ganztags-Betreuung vom Grundsatz her favorisiert, blendet in der Regel Qualitäts-Kriterien aus, denn Stunden können nichts über den Umgang mit einem Kind aussagen. Was passiert Förderliches in dieser Zeit? Welche Bindungsintensität wird geschaffen? Wie ausgebildet ist das Personal und wie oft wechseln – auch pro Tag – die Bezugspersonen? Auf wie viele Kinder kommt eine Betreuungsperson? Welches Werte- und Bildungsverständnis liegt vor? In welcher Weise werden die Eltern in den Lern- und Entwicklungsprozess ihres Kindes konzeptionell einbezogen? Wie reagiert das Fachpersonal, wenn die Eltern sich ständig ihrer Haupt-Erziehungs-Verantwortung durch den Satz: ‚Keine Zeit’! zu entziehen versuchen?
Werden hier nicht akzeptable Rahmenbedingungen geschaffen, entwickelt sich Krippen zu staatlich subventionierten Park-Häusern für Säuglinge und Kleinkinder. Der häufig als Krippen-Befürworter bemühte Professor Dr. Dr. Wassilios E.Fthenakis (er war Vorsitzender der Kommission “Pädagogik der Frühen Kindheit” der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Instituts für Kindheits- und Familienforschung an der Universität Potsdam, Leiter des Staatsinstituts für Frühpädagogik München und Professor für Entwicklungspsychologie und Anthropologie an der Freien Universität Bozen/Italien) verdeutlicht: ‚Keine noch so gute Krippe kann eine förderliche elterliche Erziehung ersetzen’! 
Unfähige oder Unwillige sind gezielt in die Erziehungspflicht zu nehmen
Ja, es gibt eine zu große Zahl von – häufig als ‚sozial-schwach’ – bezeichneten Eltern, welche ihrer Erziehungsverantwortung in zu geringen bzw. nicht-förderlichen Umfang nachkommen. Und etliche zu diesem Personenkreis zählende werden ein Betreuungsgeld nicht zum Wohle des Kindes einsetzen. Hier ist eine Veränderung des Verhaltens einzuleiten, in dem diese ‚Antriebs-Schwachen’ konsequent zu mehr Verantwortungs-Ãœbernahme geführt werden. Dies ist schon deshalb notwendig, weil die Krippen-Befürworter sonst aus dem Auge verlieren, dass solche Kinder vor und nach der öffentlichen Erziehung für viele Stunden einem nichtförderlichen Familien-System ausgesetzt sind. Eine ‚Sippenhaft’ in Sinne: Wenn Null-Bock-Eltern das Geld zum eigenen Konsum nutzen, dann sollen alle anderen Väter und Mütter auch leer ausgehen, ist nicht hinnehmbar.
Ja, es gibt auch eine beträchtliche Zahl von Funktionsträgern in Politik, Wirtschaft, Medien und Verbänden, welche durch Bestechlichkeit, Macht-Missbrauch oder anderes Negativ-Verhalten auffallen und sich nicht zum Wohle der Gemeinschaft einsetzen. Sollten dann auch hier alle Ehrlichen, Engagierten oder Bemühten mit den Korrupten oder Gierigen gleich gestellt werden? Nein, auch hier ist Wertzuschätzendes zu fördern und Abzulehnendes zu bekämpfen. Für Volksvertreter, welche sich einem demokratischen Rechtsstaat verpflichtet fühlen, dürfte dies selbstverständlich sein.
Durch mehr Kinderkrippen die Geburtenrate zu erhöhen ist Irreführung
Von Politikern unterschiedlichster Richtungen wird – quasi als „Global-Chor“ – immer neu verkündet, die Ganztagbetreuung sei der ‚Königsweg’ zu einem stattlicheren Kindersegen. Diese Stoßrichtung wird durch Frauenverbände und in die Erwerbstätigkeit strömen wollende Frauen meist stark unterstützt.
Wie absurd dieser Irrglaube ist, wird nicht nur durch die Entwicklung in den neuen deutschen Bundesländern eindeutig belegt. Trotz eines superbreiten ganztägigen Betreuungs-Angebotes – selbst für Kleinstkinder – ging die Geburtenrate nach der Wende rapide nach unten. Auch in Schweden und den übrigen skandinavischen Ländern ist seit Jahren derselbe Trend auszumachen. Dagegen gibt es in Bayern und Baden-Württemberg Kommunen, welche eine stark überdurchschnittliche Geburtenrate und gleichzeitig eine weit unterdurchschnittliche Krippen- bzw. andere Ganztagsbetreuungs-Angebote haben.
Die ständig deklarierte Wahlfreiheit ist eine arglistige Täuschung
In unserem Land propagieren immer mehr Politiker ein ganz eigentümliches Verständnis von Wahlfreiheit. Denkende Staatsbürger sehen das anders und betrachten dieses Vorgehen als Begünstigung bestimmter Personengruppen und fühlen sich als – per Verfassungsbruch –  Betrogene. Denn es kann doch nicht sein, dass sich die auf das Erwerbsleben konzentrierenden Eltern mit einem in Höhe von  800,- bis 1.300,- Euro subventionierten Krippenplatz (je nach Alter des Kindes differierend) pro Monat beschenkt fühlen dürfen und die für ihre Erziehung selbst Sorge tragenden Eltern nicht nur finanziell leer ausgehen und ins Abseits gestellt werden, sondern dieses Geld auch noch durch ihre Steuern mitfinanzieren. Dass sie gleichzeitig von karriere-orientierten Zeitgenossinnen einerseits als von vorgestern belächelt und andererseits nicht selten für Bring- oder Holdienst genutzt werden, ist dann die Krönung der Unverschämtheit
Wie per Bedarfsweckung keine Bedarfs-Ermittlung möglich ist:
Kaum in einem anderen Bereich unseres Staatswesens wird so undifferenziert mit Bedarfsäußerungen umgegangen, wie im Bereich der Kinderbetreuung. Riefe das Volk, die Steuern abzuschaffen oder das Parken auf Bürgersteigen zu erlauben, es würde ignoriert. Wollen Eltern aber rund um die Uhr ihr Kind am Kindergarten abgeben, zusätzliche Krippenplätzen oder Ganztagsschulen, schon wird das Ganze als wichtige Bedarfsäußerung aufgegriffen. Die Frage, ob die Väter und Mütter sich hier überhaupt als Erziehungspersonen – in Abgrenzung von Eigen-Interessen – äußern, bleibt meist unberücksichtigt. Solche Willensbekundungen dürften wegen Befangenheit und offensichtlicher Interessen-Kollision gar nicht ungeprüft bearbeitet werden. Außerdem würde jedes Angebot, welches zu ca. 80% subventioniert wird, einen riesigen „Bedarf“ auslösen. Die Produzenten von Kuscheltieren für Kinder beispielsweise würden sich vor „Nachfrage und Begehrlichkeit“ nicht retten können, wenn 80% der Kosten vorab vom Staat übernommen würden wie im Fall der Krippenbetreuung. Ein aktuelles Beispiel für künstliche Bedarfsweckung ist die Abwrack-Prämie. Würden die Krippenplätze zu den tatsächlichen Kosten angeboten, bei einer gleichzeitig kräftig erhöhten Finanzausstattung der Eltern, würde sich sehr schnell der tatsächliche Bedarf ergeben. 
Mehr Elternverantwortung anstelle von mehr Staat als Konsequenz:
Daher wird hier die Forderung aufgestellt, das Familien-/Erziehungsgeld für alle Eltern für die ersten 3 Lebensjahre kräftig aufzustocken, die Subventionierung von Krippenplätzen einzustellen, um so wirkliche Wahlfreiheit zu schaffen. Dann tragen die – auch in den ersten 3 Lebensjahren eines Kindes – auf den Beruf setzenden Eltern das Geld für Betreuungsleistungen zu Krippen oder Tagesmüttern und die vielen anderen Eltern vereinnahmen es für die selbst erbrachte Erziehungsleistung. Dies entspricht übrigens genau dem Willen von ca. 80% der Eltern, wie verschiedene Untersuchungen regelmäßig belegen.
Das System Familie würde so eine rasante Stärkung erfahren und einen kräftigen Schub in Richtung Gerechtigkeit erfahren. Dies entspricht übrigens exakt dem seit Jahren erhobenen Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes an die Politik. Denn dort wird im “Kinderbetreuungsurteil” vom 19.1.1999 ausdrücklich die Schaffung einer echten  “Wahlfreiheit für Eltern bei der Art der Kinderbetreuung in ihren ‚tatsächlichen’ Voraussetzungen” gefordert, damit der vom Grundgesetz garantierte Schutz von Ehe und Familie nicht durch Parlamente weiter ausgehöhlt wird.
Copyright: Dr. Albert Wunsch 41470 Neuss, Im Hawisch 17 
Ein Beitrag von Dr. Albert Wunsch

Anmerkung der Redaktion: Interessant scheint ein Vergleich zu den heutigen Zuständen in den USA, den wir in am 13.4.2012 beschrieben haben. Hier sind Kinderverwahrung und Mehrfach-Jobs bereits an der Tagesordnung.
http://tv-orange.de/2012/03/familienpolitik-in-den-usa/


Zur Person

Albert Wunsch ist Diplom Sozialpädagoge, Kunst- und Werklehrer, Diplom Pädagoge, Psychologe und promovierter Erziehungswissenschaftler (Fächerkombination Pädagogik, Psychologie und Kunst) und lehrt seit 2004 Konzepte der Eltern-Qualifizierung, Pädagogik der Kindheit, Methoden der Gesprächsführung, Konflikt-Management und Supervision an der Katholischen Hochschule NRW in Köln. Außerdem hat er Lehraufträge an der Philosophischen Fakultät der Uni-Düsseldorf und an der Hochschule für Oeconomie & Management in Neuss. Zuvor leitete er über viele Jahre das Katholische Jugendamt in Neuss.
Er arbeitet in eigener Praxis als Paar-,  Erziehungs- und Konfliktberater sowie als Supervisor und Coach (DGSv). Außerdem ist er in verschiedenen Feldern der Jugendhilfe und Erwachsenenbildung sowie kirchlich-sozialen Initiativen ehrenamtlich engagiert.
Er ist Vater von zwei erwachsenen Söhnen (3 Enkeltöchter) sowie Autor der Erfolgsbücher: Die Verwöhnungsfalle (mittlerweile auch in Korea und China erschienen), Abschied von der Spaßpädagogik und Boxenstopp für Paare, sowie zahlreicher Fach-Publikationen (weitere Infos).
Albert Wunsch hat gemeinsam mit seiner Frau Margret die Malaika-Stiftung für Bildungsprojekte in Nigeria ins Leben gerufen (weitere Infos).
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